Die sozialen Netzwerke haben die politische Kommunikation grundlegend verändert. Politikerinnen und Politiker können heute ein wesentlich breiteres Publikum in wesentlich kürzerer Zeit ansprechen als zuvor. Zwischenstellen sind ausgeschaltet worden und Botschaften können viral gehen, wodurch nochmals mehr Menschen erreicht werden.
Reichweite, Schnelligkeit und der Abbau von Zwischenstufen können von Vorteil für das Vermitteln einer Botschaft sein. Doch: In den sozialen Medien dominiert die Kurzform und zwar sowohl bei schriftlichen «Posts» als auch bei Videobotschaften. Bei einer Referendumskampagne in der jüngsten Vergangenheit kommentierte eine Leserin auf Facebook, dass das angesprochene Thema wohl sehr unklar sei, wenn ihre Frage nur in Worten und nicht mit einem Video beantwortet werden könne – was mich zum Schmunzeln brachte.
In den sozialen Netzwerken gibt es kaum Spielraum, um eine Botschaft in ihrem Kontext, mit Nuancen oder Details zu übermitteln. Stellungnahmen werden zwangsläufig vereinfacht, wenn nicht gar auf das Einfachste reduziert. Dieses Phänomen wird durch die Funktionsweise der Netzwerke verstärkt – wir alle kennen den Mechanismus des «Daumen hoch» oder «Daumen runter» bzw. des «Like». So werden verknappte Meinungsäusserungen zur Norm. In meinen über fünfzehn Jahren als Gemeinderätin der Stadt Genf konnte ich den Wandel des politischen Diskurses mitverfolgen. Während es Anfang der 2000-er-Jahre nicht ungewöhnlich war, dass ein Stadtrat – egal welcher politischen Ausrichtung – eine Stellungnahme mit der gesellschaftspolitischen Sicht seiner Partei begründete, so ist diese Art der Argumentation bzw. dieses Verankern in einem grösseren Kontext, heute verschwunden. Dies bestätigten mir die Protokollführer des Stadtrats, denen ich die Frage gestellt hatte.
Des Weiteren sind die Algorithmen wie allseits bekannt so konzipiert, dass sie der Netzwerknutzerschaft solche Inhalte zeigen, die mit ihren von den Netzwerken erfassten Ansichten übereinstimmen. So werden Überzeugungen bestärkt und abweichende Perspektiven eben nicht aufgezeigt. Dies erscheint mir umso gravierender als die Themen, über die die Bevölkerung abstimmen muss, immer komplexer werden.
Zwar haben verschiedene Studien gezeigt, dass sich die Schweizerinnen und Schweizer weniger als in der Vergangenheit über soziale Netzwerke informieren (knapp 50% im Jahr 2018 gegen 39% 2023) und dass sich die Wahlen – noch – nicht via die Netzwerke gewinnen lassen. Nebenbei bemerkt hat die SVP als stärkste Wahlgewinnerin bei den letzten Parlamentswahlen im Vergleich zu anderen Parteien relativ wenig Kampagne in sozialen Medien betrieben.
Die Qualität der demokratischen Debatte ist es wert, unaufhörlich gepflegt zu werden. Als Experten für politische Kommunikation haben wir diesbezüglich eine Verantwortung. Wenn wir mit einer Kampagne beauftragt werden, liegt es an uns, unsere Kundschaft davon zu überzeugen, verschiedene Leseebenen anzubieten und verkürzte, vereinfachte oder zugespitzte Botschaften zu vermeiden, insbesondere, wenn diese auf Kosten der Genauigkeit gehen.
Alexandra Rys, Partner